Sie sind hier

Auf dieser Seite:

Interview mit Dr. Patrick Hofer-Noser, Päsident der Allianz 2SOL

Zwei Jahre nach der Lancierung: Wo steht 2SOL heute? Das Interview mit Dr. Patrick Hofer-Noser, dem Präsidenten der Allianz 2SOL

Vor rund zwei Jahren stellte sich 2SOL der breiten Öffentlichkeit vor. Kurz darauf wurde das erste 2SOL-Mehrfamilienhaus in Zürich-Witikon bezogen.

Wo stehen das System und die Allianz 2SOL heute? Was wurde bereits erreicht, wo herrscht noch Handlungsbedarf? Und welche Bedeutung hat die Realisierungspartnerschaft 2SOLexpert für Bauherrschaften?

Lesen Sie die Antworten und Einschätzungen von Dr. Patrick Hofer-Noser, Präsident der Allianz 2SOL, im Auszug des ausführlichen Interviews vom 1. März 2016:

Herr Hofer-Noser, im November 2013 wurde 2SOL an der ETH Zürich den Medien und im Januar 2014 an der Swissbau der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Das Medienecho war gross. Wenn Sie zwei Jahre danach eine Zwischenbilanz ziehen: Wo steht 2SOL heute?

2SOL war unbekannt. Allenfalls im akademischen Umfeld kannte man die Ideen von Professor Leib-undgut. Dass es aber Produkte gibt, welche schon heute eine effiziente saisonale Speicherung von Energie in der Erde ermöglichen, war weitgehend unbekannt. Es ist unserer Allianzgelungen,einem breiteren Publikum Lösungen aufzuzeigen, die es ermöglichen, Wärme vom Sommer in den Winter zu transferieren, ohne grosse Wasserspeicher im Haus unterbringen zu müssen. Das System 2SOL ist mit heutigen Technologien zuverlässig und wirtschaftlich realisierbar. Die beteiligten Firmen erhalten An-fragen nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus den benachbarten Ländern. Selbst aus den USA und aus China sind Anfragen eingetroffen. Wir fokussieren uns jedoch in einer ersten Phase auf die Schweiz. Hier hat 2SOL bereits eine gewisse Bekanntheit erreicht, zumindest in der Baubranche und in der Verwaltung. Im Rahmen des Horizon-2020-Forschungsprogramms der EU werden solche Sys-teme im Bereich der Sanierung erforscht. Da ist unsere Industrie-Allianz schon weiter, wir haben die Produkte real im Einsatz. Ich begrüsse selbstverständlich die Forschung sowohl an der ETHZ wie auch an anderen europäischen Universitäten. Es ist jedoch wichtig zu zeigen, dass das System bereits heu-te in der Realität funktioniert und dass es sich bewährt. Die Forschung wird helfen, zukünftige Pro-duktgenerationen zu entwickeln, doch der Bauherr muss nicht warten. 2SOL bietet ihm schon heute ein verlässliches Gesamtsystem.   

Proof of Concept haben wir geliefert.Bereits im Frühling 2014 wurde in Zürich-Witikon das erste 2SOL-Mehrfamilienhaus bezogen. Der eigentliche Härtetest fand dann im ersten Winter statt und hat gezeigt, dass das System einwandfrei funktioniert. Und, natürlich sehr wichtig, dass 2SOL auch wirt-schaftlich attraktiv ist. Es wurde ebenfalls deutlich, dass auch nach der Inbetriebnahme die Gesamt-system-Effizienz noch weiter optimiert werden kann, das ist im Gange. Die aufgezeichneten Daten werden nun ausgewertet und können bald publiziert werden. Seit Kurzem liegen die Messwerte der Grossüberbauung Oberfeld in Ostermundigen vor. Die Analyse zeigt, dass die effektiven Werte sogar besser sind als unsere ursprünglichen Berechnungen. Wir können heute ein System im Voraus be-rechnen und simulieren, sodass die Bauherrschaft nicht mit negativen Überraschungen konfrontiert wird. Hatten wir bei den ersten Projekten noch mit Kinderkrankheiten zu rechnen, so sind heute die eingesetzten Produkte zuverlässig und arbeiten stabil. Forschungsergebnisse werden wiederum zu neuen Produkten führen, welche innovative Kunden dann einsetzen können. Dies ist beispielsweise bei den Erdsonden der Fall. Während in den meisten Fällen konventionelle Doppel-U-Sonden zur Anwendung kommen, wird nun auch eine neuartige Sondentechnologie, die sogenannte Koaxial-Erdwärmesonde, in Pilotprojekten eingesetzt. So fliessen Forschungsergebnisse bei 2SOL-Projekten ein. Es ist mir jedoch ein wichtiges Anliegen festzuhalten, dass die Allianz 2SOL eine Industrie-Allianz ist, welche nicht vor allem Pilotprojekte realisiert. Unser Ziel ist es, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende mit erprobter Technologie zu leisten. Ich wurde mehrmals darauf angesprochen, dass die Allianz 2SOL eine Interessengruppe von Professor Leibundgut sei. Hansjürg Leibundgut, den ich sehr schätze, ist der Vater der 2SOL-Idee. Er ist jedoch nicht Mitglied der Allianz. Wir waren – und sind es noch immer – von seiner Idee überzeugt und wollen als Industriefirmen zeigen, dass einerseits die saisonale Speicherung von Sonnenergie und andererseits die Reduktion der elektrischen Anschlussleistung selbst am kältesten Tag des Jahres real und wirtschaftlich funktionieren. Der Bauherr kann dadurch sein finanzielles Risiko gegenüber Externalitäten in der Energieversorgung oder in der Gesetzgebung reduzieren.

 

Sie haben letztes Jahr die Realisierungspartnerschaft 2SOLexpert geschaffen. Was wollen Sie damit erreichen?

Ein wesentlicher Meilenstein war in der vergangenen Zeit die detaillierte Erstellung der technischen Dokumentation und Spezifikation. Mit dieser Dokumentation sind Schnittstellen und technische Anforderungen an ein 2SOL-System festgelegt. Somit können neue Interessenten auf der Herstellerseite sofort sehen, ob ihre Produkte den Anforderungen des Systems 2SOL genügen. Damit wir nun eine möglichst rasche Verbreitung von 2SOL in der Baubranche erreichen, haben wir im letzten Jahr die Realisierungspartnerschaft 2SOLexpert geschaffen. Die 2SOL-Experten stehen für Qualität bei der Planung und stellen die Umsetzung von 2SOL-Projekten sicher. Der 2SOL-Experte muss eine Schulung absolvieren und verpflichtet sich, das Systm gemäss den technischen Spezifikationen zu erstellen. Wir sind auf grosses Interesse bei Planern und Energieberatern gestossen. Und auch Architekten machen mit. Nun hoffen wir, mehrere Installateure gewinnen zu können, damit der Bauherr in jeder Landesregion einen 2SOL-Experten in seiner Nähe findet.


Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die nächsten Jahre?

Das System funktioniert, 2SOL hat einen spürbaren Bekanntheitsgrad erreicht. Zusätzliche Projekte werden zu mehr Visibilität führen. Somit werden auch mehr Bauherren sehen, dass 2SOL wirklich funktioniert. Lassen Sie mich eine Parallele zu der Entwicklung der Photovoltaik ziehen: Zuerst waren es ein paar wenige Architekten und Bauherren, die erkannten, dass auf dem Dach auch Strom produziert werden kann und nicht bloss Tonziegel zur Abdeckung verwendet werden müssen. Heute baut bereits eine Vielzahl von Bauherren ein Dach, welches nicht nur Witterungsschutz bietet, son-dern auch Strom produziert. Morgen werden die Tonziegel in den historischen Museen zu sehen sein. Ich erwarte bei der Energieerzeugung und generell bei der Energietechnik im Gebäude eine ähnliche Entwicklung.

Dass wir mit 2SOL eine Vorreiterrolle einnehmen, zeigt auch das Interesse aus dem Ausland. Die EU plant sogar im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 ein Projekt, welches die solare Regenerierung des Erdspeichers untersuchen soll. Da sind wir in der Schweiz schon etwas weiter. Wir bauen dies ja bereits.

Die aktuell tiefen Fossilkosten mögen manchen dazu verleiten, diese umweltbelastende Lösung zu wählen, da die Investitionskosten deutlich geringer sind als bei einer ökologischeren Lösung wie 2SOL. Das Contracting-Angebot unseres Mitgliedes EKZ stellt hier eine attraktive Option dar, die es ermöglicht, die Initialkosten auszulagern. Das System 2SOL erspart auf jeden Fall böse Überraschun-gen. Gesetzesänderungen, schwankende Primärenergiepreise oder CO2-Abgaben haben keinen Einfluss mehr auf den Energiepreis eines 2SOL-Kunden. Langfristig zahlt sich die Ökologie also auch finanziell aus.

Welchen Nutzen ziehen Unternehmen aus einer Mitgliedschaft bei der Allianz 2SOL?

Mir war es immer wichtig, dass die Kernkomponenten mit verschiedenen Firmen in der Allianz vertreten sind. So ist beispielsweise seit 2015 ein zweiter Hersteller von Hybridkollektoren aus Vorarlberg/Österreich dabei. Und auch bei den anderen Gewerken sind jeweils mehrere Hersteller in der Allianz vertreten. Im Bereich der Installateure suchen wir nach weiteren Mitgliedern oder Realisierungspartnern. Ist es doch so, dass der Installateur derjenige ist, welcher das System verbaut und dem Bauherrn nach der Inbetriebnahme übergibt.

Viele Mitglieder engagieren sich in den Kommissionen Technik oder Marketing der Allianz. Durch diesen Austausch profitieren die Firmen vom Blick über den Zaun in benachbarte Gebiete. Dies wird in der Zukunft immer wichtiger, denn eine Komponente alleine konnte in den meisten Fällen die

Energieversorgung eines Gebäudes nicht sicherstellen. Derjenige, der die Kundenbedürfnisse ganzheitlich analysieren und Lösungen anbieten kann, wird in Zukunft bessere Karten haben. Ich würde mich freuen, wenn alle Mitglieder die Chance nutzen würden, sich aktiv einzubringen, sei es in den Kommissionen oder auch indem sie Mitarbeitende an die Schulungen und Veranstaltungen senden oder Beiträge für unsere neue Website erstellen.

 

Schlieren, 1. März 2016
Das Interview geführt und aufgezeichnet hat Marion Willim, Marketingleiterin der Allianz 2SOL